Seit Jahrzehnten warnen Versicherungen vor den Folgen der Klimakrise. Schliesslich bedrohen die massiven Umweltkatastrophen und die daraus resultierenden, gigantischen Kosten ihr Geschäft. Doch die Massnahmen der Branche zum Umweltschutz sind zu zögerlich.
Neben der Wissenschaft warnen Rückversicherungen wie Munich Re und Swiss Re seit Jahrzehnten vor den Folgen des Treibhauseffektes. Denn die Versicherung von Klimarisiken gehört zu ihrem Kerngeschäft. Es wird erwartet, dass die Branche dieses Jahr über 100 Milliarden Greenback für Naturkatastrophen aufbringen muss – zum dritten Mal in Folge, Tendenz steigend.
Entsprechend ziehen sich Versicherungen aus Risikogebieten zurück, oder sie sehen sich gezwungen, die Prämien so zu erhöhen, dass sie kaum mehr bezahlbar sind. Dadurch weitet sich die Versicherungslücke aus, und der Staat muss bei Katastrophen mit Milliardenhilfen einspringen.
Ambitionen und Strategien fehlen
Versicherungen geben sich gerne nachhaltig. Ihre Massnahmen im Kerngeschäft werden aber ihrem eigenen Anspruch nicht gerecht. Die Scorecard von «Insure our Future» analysiert die Richtlinien der dreissig grössten Versicherungen zu Öl, Gasoline und Kohle in Bezug auf ihre Kompatibilität mit den Pariser Klimazielen.
Es zeigt sich: Die Ambitionen im Bereich Öl und Gasoline liegen deutlich unter dem wissenschaftlich Notwendigen. Zwar haben viele europäische Versicherungen die Unterstützung von neuen Ölförderprojekten eingestellt, aber die Branche als Ganzes versichert weiterhin neue Gaskraftwerke und Pipelines. Die gute Nachricht: In 41 Prozent des Versicherungs- beziehungsweise 63 Prozent des Rückversicherungsmarktes werden mittlerweile Richtlinien zum Kohleausstieg umgesetzt.
Zurzeit hat ferner kaum eine Versicherung eine umfassende Strategie, wie sie den Mobilitäts- und den Gebäudesektor auf Klimakurs bringen will, obwohl diese Sektoren zu ihren wichtigsten Geschäftsfeldern gehören. Zum Erreichen der globalen Biodiversitätsziele haben noch weniger Institute Massnahmen eingeleitet.
Dabei haben Versicherungen zahlreiche Hebel, und die grüne Transformation bietet für sie grosse Chancen, wie der Bericht «Underwriting our Planet» von WWF und Deloitte aufzeigt: Versicherungen können revolutionary Unternehmen bei der Skalierung nachhaltiger Produkte und Technologien unterstützen, Transitionsrisiken absichern oder mit dem Aufforsten von Mangroven Überschwemmungen reduzieren.
Es besteht Handlungsbedarf
Zurich und Swiss Re waren Pioniere bei der Abkehr von der Kohleversicherung. Doch während Swiss Re inzwischen die Unterstützung der meisten neuen Ölförderprojekte eingestellt und Klimazielte gesetzt hat, wird Zurich als weltweit sechstgrösster Versicherer von Öl und Gasoline eingeschätzt und unterstützt weiterhin neue Ölförderprojekte. Auch die Helvetia setzt vor allem als Investorin auf Klima, handelt aber auf der Versicherungsseite nicht konsistent.
Unlängst traf sich die Versicherungselite in Zürich zum 50. Jahresjubiläum der Geneva Affiliation, des globalen Verbands der Versicherungs-CEO. Nach fünfzig Jahren voller Warnungen wäre es nun Zeit für Taten: Als Aktionäre von Unternehmen, als Risikomanager der Weltwirtschaft und als mächtige Interessenvertreter sollten Versicherungen alle Hebel in Bewegung setzen, um die Umweltrisiken in Schach zu halten – und damit auch ihr eigenes Geschäft zu schützen.
Regula Hess ist Finanzexpertin beim WWF Schweiz mit den Schwerpunkten Banken, Versicherungen und Regulierung.