In den USA zeichnet sich ein Ende der heftigen Streiks in der Automobilindustrie ab – und zwar mit einem gewaltigen Verhandlungserfolg für die Beschäftigten: Bei Ford könnten die Gehälter demnächst um 33 Prozent steigen, das Unternehmen hat einer vorläufigen Einigung mit der Gewerkschaft United Auto Staff (UAW) am Mittwochabend zugestimmt. Die Einigung dürfte Signalwirkung haben.
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Während deutsche Werke etwa von BMW in den USA nicht gewerkschaftlich organisiert sind, hatten die Beschäftigten bei Ford, Common Motors und Chrysler-Mutter Stellantis Mitte September die Arbeit niedergelegt. Um die Streikkasse zu schonen, setzte die UAW auf punktuelle Streiks, die stetig auf weitere wichtige Standorte ausgeweitet wurden – mit verheerenden wirtschaftlichen Folgen: Die Arbeitsniederlegungen kosteten Schätzungen der Anderson Financial Group zufolge 9,3 Milliarden Greenback.
„Unser Streik hat geliefert“
Für die UAW conflict das ein rekordverdächtiger Arbeitskampf, UAW-Präsident Shawn Fain zufolge hat er aber auch zu Rekordlohnerhöhungen geführt. „Unser Streik hat geliefert“, sagte er am Mittwochabend in einer Videobotschaft. Konkret sollen die Gehälter bei Ford bis 2028 um 25 Prozent steigen, zu Beginn der Laufzeit soll es einen 11-Prozent-Schritt geben. Unter Berücksichtigung des vereinbarten Ausgleichs der Lebenshaltungskosten und vom Zinseszins läuft es nach UAW-Angaben auf insgesamt 33 Prozent zusätzlichen Lohn hinaus, bei Berufseinsteigern sogar auf 68 Prozent mehr.
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Noch müssen die Gewerkschaftsmitglieder sowie der Konzern der Einigung endgültig zustimmen. Ford-CEO Jim Farley erklärte aber gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, sich über die Verständigung mit der UAW zu freuen. GM und Stellantis teilten demnach mit, ebenfalls „so schnell wie möglich“ Einigungen mit der UAW erzielen zu wollen. Das nahende Ende des Arbeitskampfes sorgte an den Börsen für Beruhigung: Die Papiere von GM, Stellantis und Ford legten am Donnerstagvormittag um 4 bis 5 Prozent zu.
Biden begrüßt Einigung
Ursprünglich hatte die UAW 40 Prozent mehr Lohn gefordert – unter Verweis auf ähnliche hohe Steigerungen bei Managergehältern in den Autokonzernen. Für UAW-Verhältnisse conflict das ungewohnt ambitioniert, insbesondere seit der Finanzkrise waren die Entgelte in der US-Automobilindustrie nur langsam gestiegen. Darauf und auf zuletzt hohe Gewinne der US-Autobauer verwies auch die hiesige IG Metall, quasi das Pendant zur UAW: „Mehr als verdient“ sei die Steigerung, freute sich ein Sprecher dort.
In den USA sorgte die Nachricht indes auch für Freude an höchster Stelle: US-Präsident Joe Biden ließ mitteilen, er begrüße die Einigung. Zur Stärkung der Mittelschicht, erklärtermaßen der Kern von Bidens Wirtschaftspolitik, brauche es starke Gewerkschaften und gute Tarifverträge, erklärte der Präsident – dessen Konjunkturprogramme einen Anteil an der brummenden US-Wirtschaft und den deshalb hohen Lohnsteigerungen gehabt haben dürften.
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In Deutschland, wo sich die Bundesregierung bei Tarifverhandlungen zuletzt eher um die Lohn-Preis-Spirale gesorgt hatte, könnte man sich aus Sicht der IG Metall davon eine Scheibe abschneiden: Die Gewerkschaft fordere einen Aktionsplan zur Steigerung der Tarifbindung auf mindestens 80 Prozent, ein Tariftreuegesetz für öffentliche Aufträge und eine Fördermittelvergabe ausschließlich an tarifgebundene Unternehmen, so der Sprecher. Zugleich begrüßte die Gewerkschaft am Donnerstag ausdrücklich die von Wirtschaftsminister Robert Habeck vorgestellte Industriestrategie. „Wir brauchen den Brückenstrompreis – jetzt“, bekräftigte der zweite Vorsitzende Jürgen Kerner.